Before Night Falls
»Bevor es Nacht wird« USA 2000 • 134 Min. • span.O.m.U. • MPAA: Rated R for strong sexual content, some language and brief violence
Regie: Julian Schnabel (s.a. »A Private Portrait« (2017)
Buch: Cunningham O’Keefe, Lázaro Gómez Carriles, Julian Schnabel basierend auf den Memoiren von Reinaldo Arenas
mit: Javier Bardem, Olivier Martinez (Bruder von Vincent Martinez s.a. »Schule des Begehrens« (1998)), Johnny Depp, Andrea Di Stefano sowie Sean Penn (s.a. »Milk« (2008), Diego Luna (s.a. »Milk« (2008) und »Y tu Mama tambien« (2002)) und Hector Babenco
Kamera / Bildgestaltung: Xavier Pérez Grobet (s.a. »The Woodsman« (2004)), Guillermo Rosas
Schnitt / Montage: Michael Berenbaum
Musik: Carter Burwell (s.a. »Drive-Away Dolls« (2024) und »Carol« (2015) und »Howl« (2010) und »The Kids Are All Right« (2010) und »Kinsey« (2005) und »Velvet Goldmine« (1998) und »Gods and Monsters« (1998), Lou Reed, Laurie Anderson
Der junge schwule Reinaldo (links vorn) bejubelt mit seinen Freunden anfangs begeistert die Castro-Revolutionäre ...
Der kubanische Schriftsteller Reinaldo Arenas
1943: Provinz Oriente, Kuba
Reinaldo Arenas wurde am 16. Juli 1943 geboren. Seine Mutter wurde schon bald von seinem Vater sitzengelassen. Im Haus der Eltern seiner Mutter wuchs Reinaldo in der ländlichen Gegend Oriente auf. Die Kindheit war geprägt vom Kontrast zwischen der bitteren Armut seiner Familie und der Üppigkeit und Grosszügigkeit der Natur, die sie umgab. Der Junge wuchs mit einem Gefühl für Freiheit auf, folgte seinen Impulsen, ob er nun erste Gedichte schrieb oder Männern beim Baden im Fluss zuschaute.
1958: Holguín
1958 folgte der Umzug nach Holguín. Noch als Teenager unterstützte er Castros Umsturz der Batista-Diktatur. Mit dem Sieg der Revolution wurde es ihm möglich, am ehrgeizigen Regierungsprogramm zur Erziehung und Ausbildung der Jugend teilzunehmen.
doch sehr schnell nach Beginn der (auch sexuellen) Revolution, landete Arenas als Schwuler im Knast ...
1962: Havanna
1962 schrieb sich Reinaldo Arenas in die Universität von Havanna ein und lebte in dieser kosmopolitischen, aufregenden Stadt. Er entdeckte, dass neben der offiziellen Revolution auch eine sexuelle Revolution im Gange war. Zur grossen Anzahl seiner Liebhaber gehörte auch Pepe Malas, der ihn in Havannas pulsierende homosexuelle Subkultur einführte. Diese frühen Tage der Revolution fielen mit Reinaldos Erforschung seiner Identität als Schriftsteller und Homosexueller zusammen. Er nahm an einem Schreibwettbewerb teil und sein offensichtliches Talent brachte ihm eine sichere Arbeit an der prestigeträchtigen Nationalbibliothek ein. Kubas bekannteste Schriftsteller wurden seine Freunde, wie Virgilio Piñera und José Lezama Lima. Mit zwanzig Jahren schrieb er seinen ersten Roman ‘Celestino antes del alba’, der mit einer ehrenvollen Erwähnung beim nationalen Cirilio Villaverde-Wettbewerb ausgezeichnet wurde. ‘Celestino antes del alba’ blieb die einzige Publikation in seinem Heimatland. Ab den späten 60er Jahren setzte der Druck auf Künstler und Homosexuelle ein, Schriftsteller wurden zur öffentlichen Verleugnung ihrer Werke gezwungen und Homosexuelle wurden in Arbeitslager gesteckt, deren blumige Namen ihren wahren Zweck kaum kaschieren konnten. Trotz dieser Bedrohung schrieb Reinaldo weiter, ließ seinen respektlosen, unverblümten Visionen freien Lauf. Sein zweiter Roman ‘El mundo alucinante’ (Wahnwitzige Welt) wurde aus Kuba heraus geschmuggelt und in Frankreich publiziert, was ihm die Feindschaft der Regierung einbrachte. In den nächsten Jahren war er ständiger Verfolgung ausgesetzt, seine Wohnung wurde durchsucht, seine Schriften konfisziert, seine Freunde bedroht.
hier vollendet er seinen zweiten Roman, und dieser muss (im Hintern von Johnny Depp) aus dem Knast herausgeschmuggelt werden ...
1973: El Morro
1973 wurde Arenas fälschlich der sexuellen Belästigung angeklagt und gefangen genommen. Es gelang ihm, aus dem Gefängnis zu fliehen. In einer verzweifelten Aktion versuchte er, von der Insel auf einem großen Autoreifen zu fliehen. Der Versuch misslang, er wurde in der Nähe des Leninparks, wo er sich versteckte, gefasst und ins berüchtigte El Morro Gefängnis gesteckt. Zwei Jahre verbrachte er in der Gesellschaft von Mördern, Vergewaltigern und anderen Schwerverbrechern. Für die Briefe, die er für die Inhaftierten an ihre Frauen und Geliebten schrieb, erhielt er Papier und Schreibzeug. Doch die Versuche, das Geschriebene aus den Gefängnismauern zu schmuggeln, wurden durchschaut. Reinaldo wurde aufs Brutalste bestraft. Vor die Entscheidung gestellt, sein Werk zu verleugnen oder für immer zu verschwinden, zog er ersteres vor. Nach der Entlassung aus dem Gefängnis war Arenas ein preisgekrönter Autor auf der Straße. Ein Freund vermittelte ihm ein Hotelzimmer, wo er seinen künftigen besten Freund Lázaro Gómez Carriles kennenlernte.
sein zweiter Gefängnisaufenthalt in El Morro endet in einer Isolationszelle, eine Erfahrung die ihn fast zu brechen droht ...
1980: Exil
1980 erlaubte Castro Homosexuellen, Geisteskranken und Verbrechern (man beachte die Kombination), Kuba im sogenannten ‘Mariel Harbour Boatlift’ zu verlassen. Eine Änderung in Reinaldos Pass in letzter Minute erlaubte es ihm, Kuba unentdeckt zu verlassen. Zunächst in Miami, dann in New York, begann er ein Leben im Exil: verarmt und staatenlos, doch mit einem noch immer unbändigen Appetit aufs Schreiben und das Leben. Seinen Humor, den Kampfgeist und die Aufrichtigkeit hatte er nicht verloren. Doch der Kampf war noch nicht vorbei. Er infizierte sich mit dem AIDS-Virus und war fortan bemüht, in einem Wettlauf mit dem Tod seine Arbeit zu beenden. Als er 1990 starb zählte sein Werk über zwanzig Bücher, davon zehn Romane und zahlreiche Kurzgeschichten, Gedichte, Essays und Theaterstücke. Sein Œuvre ist zweifellos eines der zornigsten und leidenschaftlichsten, das je gegen einen totalitären Staat geschrieben wurde. Reinaldo Arenas Memoiren ‘Bevor es Nacht wird. Ein Leben in Havanna‘ (‘Antes que anochezca’) wurden 1993 auf Englisch publiziert und von der ‘New York Times Book Review‘ als eines der jahresbesten Bücher aufgenommen.
in seiner Phantasie entlässt ihn der verführerisch schöne Gefängnisleiter ... wenig später gelingt ihm tatsächlich die Ausreise von Kuba in die USA, wo er zehn Jahre später mittelloss verstarb ...
1988 wandte sich Arenas zusammen mit Jorge Camacho in einem offenen Brief an Fidel Castro. Darin forderten sie ein Plebiszit, in dem das kubanische Volk entscheiden sollte, ob es Castro weiterhin als Führer behalten wollte. Unterzeichnet von 163 Künstlern, Schriftstellern und Schauspielern wurde der Brief in Zeitungen und Zeitschriften abgedruckt.
Dieser Film lief im Xenon im Februar und März 2004